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Deutsch in Österreich beim FWF BeOpen-Festival 2018
Das Motto BeOpen
Von Samstag, dem 8., bis Mittwoch, dem 12. September 2018, waren wir Teil des größten Wissenschaftsfestivals, das während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft stattfindet. Gefeiert wurde Österreich und seine vielfältige Forschungslandschaft. Anlass war das 50-jährige Jubiläum des österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), der Spitzenforschung und besonders Grundlagenforschung in Österreich fördert.
Eben jene Grundlagenforschung und ihre Bedeutung für die Wissenschaft wurde während des fünftägigen Festivals der Bevölkerung präsentiert und nähergebracht. Grundlagenforschung bedeutet Neugierde und Freude am Forschen und der Wissenschaft. Es steht nicht die unmittelbar praktische Anwendung der Forschungsergebnisse im Vordergrund, sondern eben das Schaffen von Grundlagen für weiterführende Forschung.
In Bezug auf den SFB Deutsch in Österreich. Variation - Kontakt - Perzeption bedeutet das z.B. die Entwicklung von neuen Methoden zur Spracherhebung (Sprachproduktionsexperimente), um erstmalig flächendeckende und vergleichbare Sprachaufnahmen aus ganz Österreich zu erhalten. Das betrifft nicht nur, wie in der traditionellen Dialektologie, Aufnahmen von Dialekt(en), sondern auch von anderen Sprachformen wie z.B. „Hochdeutsch“ (Standardsprache) – und zwar am Land und in der Stadt, von jungen und alten Sprechenden. Untersucht werden aber auch Kontaktsprachen des Deutschen in Österreich und die Spracheinstellung der österreichischen Bevölkerung.
All das und mehr haben wir während des Festivals unter dem großen Begriff „Sprachforschung“ präsentiert. Unser Pavillon mit der Nummer 11 am Maria-Theresien-Platz im wunderschönen Ambiente zwischen Naturhistorischem und Kunsthistorischem Museum ist bei strahlendem Wetter am Wochenende und den Folgetagen von Familien, Passanten, Touristen und Schulklassen gut besucht worden. Werfen wir also noch einmal einen Blick in den Pavillon:
„I sprech‘ Deutsch, Oberösterreichisch und so wie mia dahaam.“ — Sprachen- und Varietäten-Vielfalt
Die Besucherinnen und Besucher sind oft etwas scheu, schauen sich die Pavillons zuerst aus einer sicheren Distanz von außen an, doch mit der Frage „Verraten Sie uns, wie viele Sprachen Sie sprechen?“ können wir viele der vorbeispazierenden Menschen in unseren Pavillon locken.
So beginnt im Pavillon das Live-Säulendiagramm zur Sprachenvielfalt der Besuchenden zu wachsen. Die Besuchenden geben an, wie viele Sprachen sie sprechen und werfen ein Kügelchen in die entsprechende Röhre unseres analogen Diagramms. Eine einfache Aufgabe, die dennoch viel Diskussionsstoff bietet. Was ist mit „sprechen“ gemeint und wie gut muss man eine Sprache können, um sie wirklich zu sprechen? Teils wird von den Besuchenden auch das Abstimmungsergebnis hinterfragt, besonders ob andere Besuchende wirklich mehr als 5 Sprachen sprechen können oder ob sie das nur behaupten.
Die Gespräche rund um die Station zur Sprachenvielfalt zeigen, dass viele Menschen die eigene äußere Mehrsprachigkeit oft bewusster wahrnehmen als ihre innere Mehrsprachigkeit. Innere Mehrsprachigkeit bedeutet, dass man auch innerhalb der eigenen Sprache, verschiedene Sprachformen verwendet (z.B. „Dialekt“ oder „Hochdeutsch“ abhängig von der Situation) ‑ und so lösen unsere zweite Frage, die wir den Besuchenden hier stellen („Wie viele Formen des Deutschen können Sie sprechen?“) oft einen Aha-Moment aus.
Es gibt viel zu entdecken – Varietäten- und Methoden-Vielfalt
Einmal im Pavillon kommen interessante Gespräche auf. Besuchende stellen Fragen und die Expertinnen und Experten des SFBs teilen ihr Wissen und leiteen zu anderen Aktivitäten weiter, die zum Entdecken und Mitmachen einladen.
Die Auswahl ist vielfältig: Vom „Varietäten-Raten“, bei dem Sprechende ihren Heimatorten bzw. Dialektregionen zugeordnet werden müssen, über das Varianten-Memory, bei dem Objektnamen gesucht sind, die sich in Österreich, Deutschland und der Schweiz oft unterscheiden, z.B. Tasse oder Häferl, bis hin zum Fragenbaum, dessen „Blätter“, also Fragen zum Thema Deutsch in Österreich, während des Festivals nur so sprießen.
Genauso wächst und füllt sich auch unsere Comic-Wand. Hier werden Comics, deren Sprechblasen vorerst noch leer sind, von Besuchenden mit Sprache befüllt und anschließend auf dem Standard-Non-Standard- und Nähe-Distanz-Spektrum verortet. Wer spricht wie mit wem? Sprechen Menschen, die sich nahe stehen, anders miteinander als solche, die es nicht tun? Die Antworten darauf sind unterschiedlich, von Alter und Herkunft der Besuchenden abhängig ‑ das ist für uns spannend zu sehen, denn so erhalten wir einen kleinen Einblick in Sprachwahrnehmung unserer Besuchenden.
Wer spricht wie mit wem? Diese Frage können auch schon die Kleinsten beantworten. In einem Wimmelbild, das verschiedenste Gesprächssituationen darstellt, entdecken die jüngsten Besuchenden z.B. lachende und schimpfende, telefonierende und vorlesende Menschen. Gemeinsam mit uns oder den Eltern kann so die Vielfalt von Sprache auch anschaulich und kinderleicht behandelt werden.
Unterstützung aus anderen Projekten
Auch die Aktivitäten unserer Kolleginnen und Kollegen aus der Indogermanistik und der angewandten Sprachwissenschaft bieten einen Einblick in aktuelle sprachwissenschaftliche Projekte. Manche Besuchenden stellen sich der Herausforderung des österreichischen Staatsbürgerschaftstests. Dieser dient als Grundlage für kritische Diskussionen darüber, wie Sprache als politisches Mittel eingesetzt werden kann. Auch die Herkunft von alltäglichen Wörtern und deren Ursprung in anderen Sprachen oder wie die verschiedenen Sprachen miteinander „verwandt“ sind, sorgt für so manche Überraschung bei den Besuchenden.
Hinter den Kulissen
Was in einem fünftägigen 'Geburtstagsfest' gipfelt, nimmt natürlich schon viel früher seinen Anfang. Für uns beginnt alles im Frühjahr 2018 mit der Anfrage des FWF, ob wir uns vorstellen könnten, einen Pavillon zum Thema „Sprachforschung“ zu betreuen. Natürlich können wir das!
IamDiÖ, das Citizen Science-Projekt des SFBs, wird mit der Aufgabe betraut. Es folgen reger E-Mail-Verkehr und eine ganze Reihe an Besprechungen und Organisationstreffen, in denen der Pavillon konzipiert wird. Langsam nimmt dieser und die verschiedenen Mitmachaktionen Gestalt an. Die Erfahrung aus der Langen Nacht der Forschung sowie die Unterstützung und das konstruktive Feedback des Science Center Networks helfen uns dabei.
Doch nicht nur die Inhalte, sondern auch die Betreuung des Pavillons muss geplant werden. Jedes der Task-Cluster und PPs soll ‑ wenn möglich ‑ vertreten sein. Das wird schnell zur organisatorischen Herausforderung, denn parallel zum BeOpen-Festival finden drei Konferenzen statt, an denen viele der Forschenden des SFBs bereits angemeldet sind. Aber auch diese Hürde wird gemeinsam gemeistert und so stehen von Samstag bis Mittwoch hochmotivierte und engagierte SFBler in frisch gedruckten DiÖ-T-Shirts bereit, um Sprachforschung in Österreich so greifbar wie möglich zu machen.
Zurück also auf den Maria-Theresien-Platz und in den Pavillon Nummer 11.
Fünf Tage BeOpen — das Resümee
Fünf Tage Wissenschaftsfestival waren fünf anstrengende, aber auch lohnende Tage.
Besonderer Dank gilt allen unseren Standbetreuenden, die ihr Wochenende bzw. ihre Arbeitstage trotz Konferenzmarathon dem FWF-Festival gewidmet haben.
Aus statistischer Sicht betrachtet, heißt das Festival für uns:
- über 100 ausgefüllte Comics
- an die 500 gesammelte Fragen des Monats
- Einblick in die Anzahl der Sprachen und Varietäten, die die Besuchenden sprechen: Am Wochenende wurde das Festival von vielen Familien u.a. aus ganz Österreich besucht, hier zeigt sich eine Tendenz zu 2-4 Sprachen und 3 Varietäten des Deutschen; unter der Woche, waren mehr Wienerinnen und Wiener sowie Schulklassen vor Ort. Das ändert die Statistik in Richtung 2-3 Sprachen und 2 Varietäten des Deutschen.
Persönlich war das Festival insofern bereichernd, da wir direktes und wertvolles Feedback der Besuchenden zum Projekt und zu unseren Mitmachaktionen bekommen haben. Außerdem haben wir nicht nur spannende und interessante Diskussionen führen können, sondern dadurch auch gleich weitere Einblicke in Fragestellungen erhalten, die die Gesellschaft interessieren und welche von ihr für relevant befunden werden. Nicht zuletzt hat das Festival uns aber auch eine einmalige Plattform geboten, die eigene Forschung in die Öffentlichkeit zu tragen.
In: DiÖ-Online.
URL: https://iam.dioe.at/blog/1380
[Zugriff: 21.11.2024]