DiÖ – Cluster B – Beitrag – Blog und Beitrag
15. November 2020

Rückblick auf das (noch nicht) vergangene Jahr: Ein neuer Schwerpunkt des DiÖ-Stadtsprachen-Projekts stellt sich vor

Der Forschungsbereich von PP04 wurde, wie einigen vielleicht schon bekannt, in der zweiten Projektphase erweitert und umfasst Aspekte des Sprachkontakts. Dabei wird der Fokus auf die SprecherInnen bosnischer, kroatischer, serbischer und montenegrinischer Herkunft und deren Einfluss auf die deutsche Gegenwartssprache im urbanen Raum gelegt. Allerdings bedeutet der neue Forschungsbereich auch eine komplett neue ProbandInnengruppe (oder präziser gesagt, drei Gruppen, geteilt nach Alter und Sprachniveau). Dass die ProbandInnenakquise – also die Anwerbung von zu befragenden Personen – an sich, vor allem für die Live-Interviews, nicht leicht ist, wissen alle, die sich mit der Gesprochenen-Sprache-Forschung auseinandergesetzt haben. Doch stellen Sie sich das in den Zeiten der Corona-Pandemie vor... Als wir uns Anfang März noch in der Pretest-Phase befanden, erlebten wir den ersten Lockdown. Die Welt blieb stehen, soziale Kontakte wurden maximal beschränkt und somit die Datenerhebung bis auf weiteres verschoben. Erst im Juli durfte ich die ersten Interviews durchführen und seitdem arbeitete ich fleißig daran, diesen kleinen, aber überaus wichtigen Teil des Stadtsprachenprojekts wieder auf Kurs zu bringen. Und gerade als ich mir dachte „Ich habe es geschafft! Die erste Gruppe ist vervollständigt und die zweite wird bereits akquiriert“, sahen wir uns im November mit dem zweiten Lockdown konfrontiert.

Motiviert bleiben

Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als damit zu arbeiten, was ich schon habe (was wiederum, um nicht nur zu jammern, für einige Zeit ausreichend ist). Ein bisschen Chaos im Leben muss doch sein und das sollen wir einfach akzeptieren, anstatt zu versuchen, es zu bekämpfen (ja, ich habe inzwischen angefangen, Selbsthilfebücher zu lesen). In diesem Sinne, um auf der positiven Seite des Lebens zu bleiben, möchte ich ein großes Lob an unsere ProbandInnen aussprechen, die in den letzten Monaten trotz der aktuellen globalen Situation an der Studie teilgenommen haben.

Eine Studie im Entstehen

Worum handelt es sich bei dieser Studie eigentlich? Wie schon erwähnt, konzentriert sich das Projekt auf die Auswirkungen des Sprachkontakts, indem untersucht wird, ob und welchen Einfluss SprecherInnen bosnischer, kroatischer, serbischer und montenegrinischer Herkunft auf die deutsche Sprache haben, in welchem Maße die deutsche Sprache im urbanen Raum von den mehrsprachigen SprecherInnen beeinflusst ist, und welche Interferenzen (Übertragung sprachlicher Strukturen der Erstsprache, „Muttersprache“, auf das Deutsche) sich dabei beobachten lassen. Um diese Fragen beantworten zu können, haben wir spezielle Aufgaben nur für die B/K/M/S-SprecherInnen entworfen, mit dem Ziel, relevante Phänomene auszulösen. Und hier gleich ein paar Ausgewählte:

 

  Die erste Aufgabe versetzt unsere ProbandInnen in den Kindergarten zurück (zumindest behaupten das viele). Sie bekommen ein Bild, auf dem eine aus bunten Klötzen gebaute Konstruktion aus unterschiedlichen Winkeln zu sehen ist. Eine Person darf die Abbildungen sehen und gibt anhand dessen die Anweisungen, während die andere Person die Konstruktion nachbaut. Dabei sollen sie möglichst viel miteinander sprechen.

Ähnliches geschieht bei der zweiten Aufgabe. Die ProbandInnen sollen gemeinsam mit ihrem/r Gesprächspartner/in ein Zimmer einrichten (auf dem Papier, natürlich). Sie benutzen die Abbildung und geben Instruktionen, während die andere Person die Möbel und Objekte im Zimmer platziert. Auch hier diskutieren (und lachen) sie viel.

Eine weitere Aufgabenstellung wurde mithilfe von Unterrichtsmaterial zusammengestellt. Auf der Seite Deutsch als Fremdsprache findet man viele Bildergeschichten für den DaF-Unterrichtich (Deutsch als Fremdsprache) , die ich als DaF-Lehrerin selbst ab und zu in meinem Unterricht verwendet habe (der Held der Geschichten heißt − da mussten wir schmunzeln – Dafi). Herr Lorenz Derungs, Geschäftsleiter von Learning & Doing GmbH, erlaubte mir, sie nun auch zur Datenerhebung zu verwenden. Ich entschied mich für die Folge „Dafi bei der Feuerwehr“ und schickte somit unsere ProbandInnen aus dem Kindergarten direkt in die achte Klasse (denn parental advisory: Die Bilder beinhalten Gewaltszenen und sind nicht für Personen unter 14 Jahren geeignet). Die ProbandInnen haben nur die Bilder ohne zusätzliche Informationen auf dem Arbeitsblatt zur Verfügung und sollen einfach die darauf dargestellte Geschichte frei erzählen.

Nach guten anderthalb Stunden verlassen die ProbandInnen unsere Räumlichkeiten mit einem Lächeln (und Merci-Schokolade als einem kleinen Dankeschön), weil die Teilnahme an der Studie unerwarteterweise Spaß gemacht hat. Stay tuned für die erste Analyse! ;-)


Zitation
Rakocevic, Dragana (2021): Rückblick auf das (noch nicht) vergangene Jahr: Ein neuer Schwerpunkt des DiÖ-Stadtsprachen-Projekts stellt sich vor.
In: DiÖ-Online.
URL: https://iam.dioe.at/blog/2657
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