Woher kommt „sich einwepseln“ in der Bedeutung ‚es sich z. B. bei schlechtem Wetter daheim mit einem Buch und einem Glas Wein gemütlich machen‘?
beantwortet von: Manfred „Manzi“ Glauninger
Wie bist du zur (Forschungs-)Frage gekommen?
Diese Frage ist IamDiÖ online über das entsprechende Formular auf der Website gestellt worden. Zusätzlich vermerkte der Fragesteller: „Da ich das Wort sonst nie gehört habe, würde mich interessieren, woher es kommt. Eine Vermutung von mir wäre aus Oberösterreich, weil die Großmutter meiner Frau von dort stammte.“
Welche Methode hast du gewählt? Wie bist du an die Frage herangegangen?
Die in der Frage genannte Bedeutung von sich einwepseln war der Ausgangspunkt, sie ist gut erklärbar: Wir ziehen uns, wenn es draußen wetterbedingt ungemütlich ist, gern in unsere behaglichen vier Wände zurück und lassen es uns dort gut gehen – so, wie die Wespen bei schlechtem Wetter in ihrem Nest bleiben. Es geht also um eine „Metapher“, einen bildhaften Vergleich als Grundlage für die Übertragung einer Bedeutung.
Vom Wort Wespe gibt es in verschiedenen Dialekten des deutschen Sprachraums auch die Variante Wepse (mit -ps- statt -sp-), so auch in unserem Fall. Die Aussprache lautet dann, je nach Dialekt, Weps(e)/Wepsch(e), Wepsn/Wepschn etc. Aus diesem Substantiv wurde dann ein Verb wepseln gebildet, und zwar mit der für solche Zwecke besonders im bairischen Dialektraum (dazu gehören Österreich ohne Vorarlberg, weiters Südtirol und Teile Bayerns in Deutschland) gebräuchlichen Silbe -eln. Man vergleiche Kopf → köpfeln, Bussi → busseln, Haxen → haxeln etc. Möglich ist aber auch, dass die Verkleinerungsform von Wepse, nämlich Wepsel, die Ausgangsform für wepseln gewesen ist. Für dieses Wort wepseln gibt es jedenfalls in der Datenbank des Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ) bzw. im Lexikalischen Informationssystem Österreich (LIÖ) vereinzelte Hinweise auf einen (früheren) Gebrauch im bairischen Sprachraum. Als Bedeutung wird dabei ‘sich schnell/unruhig (wie eine Wespe) hin- und herbewegen’ und Ähnliches genannt. Auch hier existier(t)en Varianten mit -sp- (wespeln, weschpeln), etwa in den alemannischen Dialekten der Deutschschweiz.
Aus wepseln ist dann offenbar das uns hier interessierende sich einwepseln gebildet worden, nach dem Muster sich einmauern/einbunkern/einigeln etc. Allerdings gibt es für sich einwepseln – oder eine mögliche Variante sich einwespeln – keine Belege. Weder „Dr. Google“ noch diverse Wörterbücher (online und gedruckt) bzw. die oben genannten Datenbanken und Materialen des WBÖ / LIÖ geben Hinweise auf dieses Wort.
Woher kommt also „sich einwepseln“ in der genannten Bedeutung?
Es handelt sich möglicherweise um eine spontane Wortbildung aus dem familiären bzw. persönlichen Umfeld der Gattin des Fragestellers. Es ist nicht auszuschließen, dass das Wort auch anderswo – in Oberösterreich oder darüber hinaus – bekannt ist (bzw. war). Hier könnte man nur durch konkrete Umfragen Klarheit schaffen. Aber vielleicht gibt es durch diese Antwort auf die Frage des Monats nun auch Rückmeldungen beim SFB Deutsch in Österreich oder seinem Citizen Science-Projekt IamDiÖ – Erforsche Deutsch in Österreich!
Abschließend bedanke ich mich bei meinem Kollegen Andreas Gellan, Lexikograph im WBÖ- und LiÖ-Team, für seine Unterstützung bei der Recherche im Zusammenhang mit der Beantwortung dieser Frage des Monats. LiÖ ist online abrufbar unter: https://lioe.dioe.at
Sie wepseln sich selbst gerne ein oder haben es schon einmal in Ihrem Umfeld gehört? Dann lassen Sie es uns wissen und schreiben sie uns eine E-Mail!
Beantwortet hat diese Frage:
PD Mag. Dr. Manfred Glauninger
Er ist Soziolinguist, forscht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Austrian Centre for Digital Humanities / Abteilung Variation und Wandel des Deutschen in Österreich), lehrt an der Universität Wien (Institut für Germanistik) und ist kooptierter Mitarbeiter in den Teilprojekten 05 und 08 des Spezialforschungsbereichs Deutsch in Österreich.