Woher stammen die Ausdrücke Ergetag für Dienstag und Pfinzstag für Donnerstag?
beantwortet von: Philipp Stöckle
Wie bist du zur (Forschungs-)Frage gekommen?
Die Frage wurde kürzlich per E-Mail an IamDiÖ – Erforsche Deutsch in Österreich gestellt und durch meine Kollegin Esther Topitz an mich herangetragen. Als Redaktor des „Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ)“ beschäftige ich mich berufsmäßig mit der Bedeutung und Herkunft von Dialektwörtern. Die Bezeichnung „bairisch“ bezieht sich hier übrigens auf eine große Gruppe von Dialekten, die in Österreich (bis auf das alemannischsprachige Vorarlberg) sowie in großen Teilen von Bayern und Südtirol gesprochen werden und ist nicht mit dem Wort „bayerisch“ zu verwechseln, welches das entsprechende Bundesland in Deutschland bezeichnet.
Wie bist du an die Frage herangegangen?
Bei Ergetag und Pfinztag – ausgesprochen auch als Ertag, Erchtag, Eritag, Irtag oder Irda bzw. Pfingstag, Pfingsda oder Pfinzda – handelt es sich um zwei sog. „Kennwörter“ des Bairischen. Das sind Wörter, die nur in den bairischen Dialekten vorkommen und deshalb als Kennzeichen dieser Dialekte betrachtet werden. Neben Ergetag und Pfinztag zählen dazu etwa auch die Pronomen es „Ihr“ und enk „Euch“, die Bezeichnung Dult für ein „Volksfest“ oder das Wort Pfoat für „Hemd“.
Die Bestimmung bairischer Kennwörter geht auf den Dialektologen Eberhard Kranzmayer (besonders Kranzmayer 1960) zurück, mit dem Ziel, durch eine kleine Gruppe von Merkmalen das Bairische von den anderen Dialekten abzugrenzen. Als langjähriger Leiter des „Wörterbuchs der bairischen Mundarten von Österreich (WBÖ)“ stützte er sich dabei u.a. auf das umfangreiche Material, das dem Wörterbuch zugrunde liegt und das heute öffentlich über das „Lexikalische Informationssystem Österreich (LIÖ)“ zugänglich ist.
Da ich selbst als leitender Redaktor beim WBÖ arbeite, war es natürlich naheliegend, in diesen Quellen nachzuschauen. Die bairischen Wochentagsbezeichnungen werden in einer ganzen Reihe von Texten behandelt (u. a. Kranzmayer 1929, Wiesinger 1990), selbst das standardsprachlich ausgerichtete „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS)“ enthält Artikel zu den beiden Wörtern, und auch in etymologischen Standardwerken zum Deutschen (Kluge 2011 und Pfeifer 2014) wird man fündig. Und natürlich gibt es im 4. Band des WBÖ einen umfangreichen Artikel zum Lemma Tag, in dem der Ergetag und der Pfinztag ebenfalls behandelt werden.
Herkunft und Bedeutung von Ergetag und Pfinztag
Woher stammen nun die Bezeichnungen Ergetag und Pfinztag, und was bedeuten sie? Betrachtet man die Herkunft der standarddeutschen Bezeichnungen für die Wochentage, stellt man fest, dass die meisten davon antiken Gottheiten bzw. den zugeordneten Himmelskörpern gewidmet sind und sich dabei an römisch-lateinischen Vorbildern orientieren (welche wiederum das Griechische zum Vorbild haben).
Montag beispielsweise geht auf spätlateinische diēs lūnae (Tag der Mondgöttin Luna) zurück, Dienstag ist als Tag des Kriegsgottes *Teiwa an den römischen Gott Mars angelehnt, Donnerstag orientiert sich am römischen Gott Jupiter, der in den germanischen Sprachen durch den Wettergott Donar vertreten wurde, Freitag ist der Tag der Göttin Freia, die mit der römischen Venus gleichgesetzt wurde, und Sonntag ist eine Übersetzung aus lat. diēs sōlis.
Etwas anders verhält es sich mit dem Mittwoch, der „Mitte der Woche“, wobei auch hier ursprünglich der römische Gott Merkur (vgl. frz. mercredi) bzw. der germanische Wotan (vgl. engl. Wednesday) Pate standen, im Laufe der Zeit jedoch verdrängt wurden. Das Wort Samstag schließlich ist mit dem hebräischen šabbāt verwandt.
Und im Bairischen? Auch hier haben die beiden Wochentagsbezeichnungen eine lange Geschichte, die den standardsprachlichen überdies gar nicht so unähnlich ist. Der Ergetag (mhd. ergetac, ertac) ist – ebenso wie der Pfinztag – über das Gotische in die bairischen Dialekte gekommen. Die Vorbilder dafür liegen aber auch wieder im Griechischen. Dort gab es nämlich die Bezeichnung Áreōs hēméra, übersetzt „Tag des Ares“. Wie bei dem standardsprachlichen Pendant Dienstag ist also auch die Bezeichnung Ergetag dem Gott des Krieges gewidmet, im Unterschied dazu jedoch über das gotische *arjausdags ins Bairische gewandert.
Der Pfinztag (mhd. phinztac, pfinztac) schließlich geht auf das griechische pémptē hēméra zurück, was „der fünfte Tag“ bedeutet und über das gotische *paíntē dags schließlich Eingang in die bairischen Dialekte gefunden hat.
Übrigens: In den westlich benachbarten schwäbisch-alemannischen Gebieten gibt es für Dienstag auch die Bezeichnungen Aftermontag („Tag nach dem Montag“) und Zistag („Tag es Kriegsgottes Ziu“).
Quellen, die zur Beantwortung der Frage herangezogen wurden
Bauer, Werner et al. (Hg.) (1998): Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ). Band 4. D,T– tętzig. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Kluge, Friedrich (2011): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Auflage. Berlin/Boston: de Gruyter.
Kranzmayer, Eberhard (1960): Die bairischen Kennwörter und ihre Geschichte. Mit 5 Skizzen. Graz [u. a.]: Böhlau.
Kranzmayer, Eberhard (1929): Die Namen der Wochentag in den Mundarten von Bayern und Österreich. Mit einer Grundkarte und elf Pausen. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky.
Pfeifer, Wolfgang (2014): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Koblenz: Kramer
Wiesinger, Peter (1990): The Central and Southern Bavarian Dialects in Bavaria and Austria. In: Russ, Charls. V. J. (Hg.): The Dialects of Modern German. A Linguistic Survey. London: Routledge, S. 438–519.
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Dr. Philipp Stöckle
Philipp Stöckle ist assoziiertes Mitglied beim SFB "Deutsch in Österreich" und seit November 2016 redaktioneller Leiter des „Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ)“, das an der Abteilung „Sprachwissenschaft“ des Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesiedelt ist.